Zitat:
Zitat von CS4-Rookie
@ Kref
wäre ein Umstieg auf das digitale fotografieren nicht einfacher? Unter Umständen gibt es vielleicht sogar ein digitales Rückteil für Deine Mittelformatcam?
Also das Auflösungsvermögen einer Phase One ist schon beeindruckend. Vielleicht würde ja eine Leica S2 auch reichen.
Oder anders gefragt, was bringt einem die analoge Mittelformatfotografie noch für Vorteile, abgesehen von der theoretisch möglichen sehr hohen Auflösung?
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Ich bin kein Freund der Diskussion Analog oder Digital, schon gar nicht im Photoshop-Forum, wo digital ja nun Motto der Stunde ist. Aber ich werde mich mal erklären; ich hoffe, dass ich damit nun nicht den dämlichen „Digital ist besser – Analog ist besser“-Flame-War lostrete.
Wieso Umstieg, ich steige nicht um! Ich hab seit Jahren nur Digitalkameras gehabt, derzeit primär eine Nikon D700. Wir reden hier nicht von einem Umstieg von analog nach digital, was ich mach ist eine Erweiterung von digital auf analog. Und diese Erweiterung habe ich vor 6 Monaten mit dem Kauf der 4x5 Kamera Shen Hao PTB54 überhaupt erst begonnen.
Und warum? Weil ich ein Hobbyfotograf bin. Für mich ist nicht nur das hübsche Bildergebnis wichtig, bei einem Hobby geht es auch darum, sich seine Freizeit mit etwas zu vertreiben, das Spaß macht und ich genieße es ausgesprochen, meine Kamera aufzubauen, auf das Stativ zu schrauben, auf der riesigen Mattscheibe das auf dem Kopf stehende Bild mit einer Lupe exakt einzustellen, mit einem Handbelichtungsmesser die Lichtverhältnisse zu bestimmen, basierend auf meinen Filmtests die Belichtung zu „berechnen“ und ein Foto zu schießen; ebenso genieße ich es dann anschließend in der Dunkelkammer zu stehen und den Film zu entwickeln und zu vergrößern. Genau so schätz ich übrigens auch meine Digi-Raws oder meine Filmscans digital in LR und PS zu bearbeiten. Es geht mir gleichermaßen um das Bild wie um den Weg dahin. Und was den Weg angeht ist analoges Großformat einfach spannender als digital, da ich so viel mehr Optionen habe.
Und ich habe keine Mittelformatkamera, ich habe eine Großformatkamera mit Planfilmen im Format 4x5 Zoll. Ein Film ist also nur ein einziges Blatt von ca. 10 x 12,5 cm und nimmt genau ein Foto auf, deshalb wird jedes Foto einzeln entwickelt; ein Großformat-Digiback gibt es übrigens nicht.
Ich liebe meine D700, es ist eine brillante DSLR und ich werde sie noch auf Jahre mit Freuden benutzen. Sie ist schnell und bequem und ist jederzeit einsetzbar. Bei der Großformatkamera brauche ich für Aufbau, Einstellung, Belichtungsbestimmung, Foto und Abbau für nur ein einziges Bild gerne mal 10 Minuten. Wie gesagt: Es geht bei Hobbys um spaßiges Zeitverbrennen, was soll’s also!
Die GF-Kamera kann aber auch Dinge, wo meine D700 (oder auch deren Nachfolger D800) nicht ansatzweise mitkommt:
1.
Kontrastumfang. Egal ob es ein sonniger Wintertag mit hellem Schnee und schattigen Baumstämmen ist oder ein diesiger Tag, an dem alles grau in grau und kontrastarm ist, ich kann durch die Dauer, die das Negativ später im Entwicklungsbad bleibt die Kontraste einstellen. Wenn ich will bringe ich zwischen tiefschwarz und hellweiß auf mein Negativ einen Motivkontrast von 5 Blenden, wenn ich will aber auch von 10 oder 12. Meine Nikon kapituliert irgendwann und ich habe zeichnungsloses weiß in den Wolken / im Schnee und gleichzeitig zeichnungsloses Schwarz in den Schatten. Das passiert mir bei analogen SW-Negativen nicht.
2.
Die Objektiv-Bewegungen.. In meiner Küche hängt dieses Bild:
http://www.flickr.com/photos/krefey/...in/photostream
Schau es Dir in der größten Ansicht an und du wirst sehen, dass die Pfähle der vorderen Reihe von vorne (ca. 1m von der Kamera) bis hinten (ca. 20m) scharf sind, dass jedoch die Pfähle der hinteren Reihe, obwohl sie ca. 5 bis 8m von der Kamera weg sind unscharf sind, dass ebenso auf der linken Seite schon der Sand unschärfer wird, je weiter man von der vorderen Pfahnreihe weggeht. durch ein Verdrehen des Objektives (Winkel zwischen Objektivebene und Filmebene) habe ich die Schärfeebene hier nicht mehr parallel zur Filmebene sondern in einem Winkel von ca 60° zu dieser.
Für meine Nikon gibt es Tilt-Shift-Linsen, die das theoretisch auch können. insgesamt gibt es drei Linsen von Nikon, die alle ein Vermögen kosten. Damit kann ich dann in geringem Umfang perspektivische Korrekturen vornehmen und ich kann die Schärfeebene (nach Scheimpflug) irgendwie schief ins Bild legen. Mit meiner Großformat-Kamera geht das auf Grund des verschiebbaren Balgens grundsätzlich immer und mit jeder Linse und Linsen sind echt billig bei Ebay zu kaufen.
3.
Womit wir bei Punkt drei sind: Analog ist billiger, wenn man wert auf besagte Objektivverstellmöglichkeiten legt. Für meine Kamera und die drei Linsen (Ich habe Kleinbildäquivalent 25mm, 50mm und 85mm) habe ich 1300Euro ausgegeben, für einen Filmscanner noch mal 450. Für eine moderne DSLR (z.B. die Nachfolgerin meiner D700, die Nikon D800) wären knapp 3000 fällig, die drei Nikon-Tilt-Shift-Linsen würden dann noch mal je 1500 kosten. Um also gleiche Verstellmöglichkeiten und gleiche Brennweiten an einer aktuellen DSLR zu bekommen müsste ich geschätzt 7000 bis 8000Euro hinlegen. Für den Preisunterschied kann ich mir bis an mein Lebensende Film und Chemie kaufen (Als Hobbyknipser gebe ich da höchstens 200EUR im Jahr aus.)
4.
Auflösung: Ich kriege etwa 100MP aus einem 4x5-Negativ. Das ist oft viel mehr als man braucht, richtig, aber die 12MP meiner Nikon sind eher untere Grenze. Denn ich mag das Seitenverhältnis 3:2 eigentlich gar nicht. Es ist für Panoramen nicht breit genug, für normale Landschaftsfotos aber zu breit (bzw. nicht hoch genug), Portraits sehen auch meistens besser in einem etwas quadratischeren Foramt aus. Und wenn ich meine Nikon-bilder auf Format 4:5 oder gar 1:1 beschneide, wird die Auflösung langsam sehr kritisch. Dazu sei wohlgemerkt gesagt, dass ich nicht fotografiere, um mir Bilder am Monitor anzusehen. Gute Bilder werden grundsätzlich gedruckt und DAS ist dann das Produkt um das es abschließend geht. Und ich lasse gerne im Format 40x50cm drucken. Da sieht man dann bei der Nikon aus kurzer Distanz gerne mal die erste unschärfe oder sogar das Sensorrauschen.
Wie gesagt: Ich möchte hier keinen Pro-analog-digital-Thread aufmachen. Da man mich fragte, gab ich eine Erklärung, warum ich das so mache. Farbbilder (Fuji Velvia 100 Diafilm) werden wohlgemerkt grundsätzlich digitalisiert und in Photoshop bearbeitet, lediglich SW ziehe ich gelegentlich optisch ab. Nebenbei benutze ich ja auch immer noch (und sogar wesentlich häufiger) meine D700 digital. Bei mir findet da ein harmonisches Nebeneinander von alt und neu statt, mit dem ich persönlich zufrieden bin.