Hallo Stephan,
ein Composing, das nicht "stimmig" ist oder eine "fehlerhafte Realität" hat, wie du es ausdrückst, kann durchaus schön und / oder stimmungsvoll sein, ebenso, wie es ein (technisch) nicht perfekt aufgenommenes Foto oder etwa ein oft so sehr geschmähtes Handyfoto auch sein kann. Ein Bild, sei es ein Foto oder eine Montage, das technisch unvollkommen ist, kann mich faszinieren und ein technisch perfektes überhaupt nicht berühren.
Vermutlich geht es dir um die Diskussionen, die bei manchen Werken entstehen. Vielleicht sollte man sich, falls der Künstler nicht explizit um Hilfe bittet, weil er nicht weiter kommt, einfach das Analysieren eines Werkes und das Posten der eigenen Meinung verkneifen. Wenn einem das Werk gefällt, sagen: 'Amazing!' (oder so ähnlich), und im anderen Falle gar nichts sagen. Denn ein kurzes 'gefällt mir nicht' wird kein Künstler haben wollen. Und liefert man eine Begründung, ist man schon wieder dabei eine Meinung kundzutun...
... Ja, vielleicht sollte man es genau so machen. Aber - so schön es auch ist, beim Posten eines eigenen Werkes ein spontanes "gefällt mir" zu lesen - wäre es für dich als Künstler nicht auf Dauer unbefriedigend, bei jedem deiner Bilder einen Thread lang ausschließlich Postings zu lesen, in denen "mag ich" oder "mag ich nicht so" steht? Wo bleibt da die Kommunikation?
Wenn man sich zu einem Werk detaillierter äußert, so zeigt das, dass man sich damit befasst hat. Und jeder sieht ein Bild anders. Ist doch ganz interessant die verschiedenen Blickwinkel kennen zu lernen.
Meinungen dazu sollten allerdings sachlich und freundlich rüber gebracht werden, Und m.E. gibt es kein Bild, in dem einem alles gefällt oder in dem einem gar nichts gefällt. Wenn man ein Bild rezensiert, so sollte es nicht zerrissen werden, sondern man sollte überlegen, was einem gut gefällt und was weniger, und sich dann dementsprechend äußern.
Da gibt's 'nen tollen Artikel dazu:
http://www.punctumgallery.ch/docs/ahbah/
Was das Analysieren an sich angeht: Grundsätzlich ist, finde ich, erstmal zu unterscheiden, ob es ein Composing sein soll, das möglichst natürlich wirkt. In diesem Fall kann man schon genauer auf solche Details wie Licht und Schatten sehen. Aber grad bei Schatten ist es schwierig zu entscheiden, ob was stimmig ist oder nicht. Ich hab vorigen Sommer und Herbst draußen in der Natur bei Sonnenschein und starken Schlagschatten mal vermehrt drauf geachtet, wie die Schatten fallen und mir manches Mal gedacht: 'Bei einem konstruierten Bild würdest du nie auf die Idee kommen einen Schatten so zu setzen.'
Wobei mich persönlich etwas "falsches" Licht oder "unrealistische" Schatten gar nicht so sehr stören. Vielmehr sind es manchmal sogar andere Details, die ich bemängle oder bemängeln könnte - die aber, wie ich festgestellt habe, von anderen wiederum nicht als Mangel wahrgenommen werden.
Bei etwas Abstraktem geht eigentlich alles. Da hat eben jeder unterschiedliche Sichtweisen, ob etwas gefällig wirkt oder nicht. Manch alter Meister der surrealistischen Malerei wurde in der Vergangenheit abgetan oder gar verrissen, und heute hat sich die Sichtweise geändert.
Ich denke mal, Toleranz ist das Zauberwort. Toleranz von Seiten eines Bildbetrachters, als auch von Seiten des Künstlers, dass es auch andere Sichtweisen als die eigene gibt.